DGHM
EINE STARKE GEMEINSCHAFT

Gemeinsame Stellungnahme zur Wissenschaftsfreiheit

Die unterzeichnenden Fachgesellschaften DGHM, DGI, DTG, DVV, Infectnet u d GfV betonen die zentrale Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit als Fundament für Innovation, Fortschritt und die Bewältigung globaler Gesundheitskrisen. Diese Freiheit sehen wir zunehmend bedroht und fordern verstärkte Maßnahmen zu ihrem Schutz.

Gemeinsame Stellungnahme Wissenschaftsfreiheit (PDF)

1. Wissenschaftsfreiheit als Grundpfeiler der Demokratie

Die Freiheit von Forschung und Lehre ist ein unverzichtbares Grundrecht, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch die jeweilige Verfassung geschützt wird und für evidenzbasierte Entscheidungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von essentieller Bedeutung ist. Wissenschaftsfreiheit ermöglicht unabhängige Forschung, die notwendig ist, um neue Technologien und fundierte Lösungen für globale Herausforderungen wie Pandemien oder den Klimawandel zu entwickeln. Der Academic Freedom Index (AFI) 2025 (Kinzelbach et al. 2025) zeigt jedoch, dass die Wissenschaftsfreiheit in vielen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich, seit 2014 signifikant zurückgegangen ist. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, diese Freiheit aktiv zu verteidigen.

2. Gefährdungen durch Antipluralismus und politische Einflussnahme

Laut des Academic Freedom Index (AFI) 2025 stellen antipluralistische Parteien weltweit eine zentrale Bedrohung für die Wissenschaftsfreiheit dar (Kinzelbach et al. 2025). Auch in Deutschland sind Tendenzen zu beobachten, den wissenschaftlichen Diskurs zu politisieren und zu delegitimieren – eine Entwicklung, die wir mit Sorge betrachten. Politische Einflussnahme und selektive Interpretationen von Forschungsergebnissen gefährden die Unabhängigkeit der Wissenschaft. Zum Beispiel kommt es aktuell nach dem Ende der Corona-Pandemie zu einer zunehmenden Verzerrung wissenschaftlicher Fakten und zeitlich-inhaltlicher Bezüge in der öffentlichen Debatte und durch die Politik. Die Vernachlässigung wissenschaftlicher Argumentationsstandards und der Einfluss politisch motivierter Meinungsäußerungen haben das Vertrauen der Bevölkerung in wissenschaftliche Entscheidungsgrundlagen beeinträchtigt (GfV 2025a; ÖAW 2023).

3. Verantwortung in sicherheitsrelevanter Forschung

Die Virologie bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und ethischer Verantwortung, insbesondere in der sicherheitsrelevanten Forschung und der virologischen „Gain-of-Function“ (GoF)-Forschung. Die GfV ist überzeugt, dass virologische GoF-Forschung klar reguliert und streng überwacht werden muss, weswegen sie sich intensiv und transparent mit den Risiken dieser Forschung auseinandersetzt. Die GfV hat ein Positionspapier veröffentlich, das sowohl den gesellschaftlichen Nutzen als auch die Risiken der GoF-Forschung diskutiert und die umfassenden Regulierungsmaßnahmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz beschreibt (GfV 2025b).

4. Internationale Zusammenarbeit und Kooperation

Die unterzeichnenden Fachgesellschaften unterstreichen die entscheidende Bedeutung internationaler Kooperationen und einer effizienten Vernetzung von Forschenden weltweit für die Entwicklung neuer Diagnostika, Therapien und Impfstoffe zur Bekämpfung grenzüberschreitender Infektionsgefahren. Eine entscheidende Schlüsselrolle als zentrale Instanz der internationalen Gesundheitskoordination nimmt dabei die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein, die durch die Bündelung von Wissen und Ressourcen globale Standards und Rahmenbedingungen für evidenzbasierte medizinische Forschung schafft, wobei sie auf die Mitwirkung aller Mitgliedsstaaten angewiesen ist. Einschränkungen des internationalen Austauschs – etwa durch politische Spannungen – behindern diesen Fortschritt erheblich.

5. Appell

Die unterzeichnenden Fachgesellschaften rufen dazu auf, die Wissenschaftsfreiheit aktiv zu verteidigen, stabile Rahmenbedingungen zu schaffen und sicherzustellen, dass Forschung unabhängig von ideologischen oder rein wirtschaftlichen Interessen erfolgen kann. Dazu sind solide finanzielle Strukturen für unabhängige Forschung und Lehre sowie die Förderung internationaler Kooperationen erforderlich. Zudem müssen Forschende, die sich öffentlich zu Forschungsergebnissen oder Wissenschaftstheorien äußern, vor persönlichen Angriffen geschützt werden, um die Freiheit des Wissenschaftssystems nachhaltig zu sichern. Ergebnisse aus staatlich geförderter Forschung müssen öffentlich zugänglich gemacht werden. Sie dürfen weder von Dritten zensiert noch zurückgehalten werden.